CSMA/CA
CSMA/CA (Carrier Sense Multiple Access with Collision Avoidance) ist ein Medienzugriffsverfahren, das in drahtlosen Netzwerken wie WLAN zum Einsatz kommt. Im Gegensatz zum kabelgebundenen Ethernet, das auf Kollisionserkennung (CSMA/CD) setzt, vermeidet CSMA/CA Kollisionen bereits im Vorfeld. Das Verfahren ist im IEEE 802.11-Standard definiert und bildet die Grundlage für den geordneten Medienzugriff in allen WLAN-Netzwerken.
Warum Kollisionsvermeidung statt Kollisionserkennung?
In kabelgebundenen Netzwerken funktioniert die Kollisionserkennung (Collision Detection) zuverlässig: Ein Gerät kann gleichzeitig senden und empfangen und so erkennen, ob seine Signale mit denen eines anderen Geräts kollidieren. Bei Funkübertragungen ist das technisch nicht möglich. Ein WLAN-Adapter kann nicht gleichzeitig auf derselben Frequenz senden und empfangen. Daher würde er eine Kollision während des Sendens gar nicht bemerken.
Zusätzlich erschwert das sogenannte Hidden-Node-Problem die Situation: Zwei Endgeräte können sich gegenseitig nicht "hören", obwohl beide mit demselben Access Point kommunizieren. Wenn beide gleichzeitig senden, kollidieren ihre Signale am Access Point, ohne dass eines der Geräte davon erfährt. CSMA/CA wurde entwickelt, um genau diese Probleme zu lösen.
Funktionsweise von CSMA/CA
CSMA/CA arbeitet nach dem Prinzip "Listen Before Talk" (Höre bevor du sprichst). Das Verfahren läuft in mehreren Schritten ab und nutzt verschiedene Zeitintervalle, um einen geordneten Kanalzugriff zu gewährleisten.
Carrier Sense (Trägerprüfung)
Bevor ein Gerät Daten sendet, prüft es zunächst, ob der Funkkanal frei ist. Dazu lauscht es auf das Medium und analysiert die empfangenen Signale. Dieser Vorgang heißt Carrier Sense. Ist der Kanal belegt, wartet das Gerät, bis er wieder frei wird.
Interframe Spacing (IFS)
Auch wenn der Kanal frei erscheint, darf ein Gerät nicht sofort senden. Es muss eine definierte Wartezeit einhalten, das sogenannte Interframe Space (IFS). Der IEEE 802.11-Standard definiert verschiedene IFS-Typen für unterschiedliche Prioritäten:
- SIFS (Short Interframe Space): Die kürzeste Wartezeit (bei 802.11a/n/ac: 16 Mikrosekunden). Wird für hochprioritäre Frames wie ACK-Bestätigungen verwendet.
- DIFS (DCF Interframe Space): Längere Wartezeit für normale Datenframes. Geräte müssen mindestens DIFS warten, bevor sie einen neuen Sendevorgang starten dürfen.
- EIFS (Extended Interframe Space): Wird nach fehlerhaft empfangenen Frames verwendet.
Durch diese gestaffelten Wartezeiten erhalten zeitkritische Steuersignale wie Bestätigungen automatisch Vorrang vor regulärem Datenverkehr.
Backoff-Verfahren und Contention Window
Nach Ablauf des DIFS wählt jedes sendewillige Gerät zusätzlich eine zufällige Wartezeit aus einem sogenannten Contention Window (Wettbewerbsfenster). Diese zufällige Komponente ist entscheidend: Würden alle Geräte nach dem DIFS sofort senden, käme es trotzdem zu Kollisionen.
Das Backoff-Verfahren funktioniert wie folgt: Das Gerät zählt in Zeitschlitzen (Slot Times) herunter. Solange der Kanal frei bleibt, wird der Zähler dekrementiert. Wird der Kanal während des Countdowns wieder belegt, pausiert der Zähler und setzt erst fort, wenn der Kanal erneut für DIFS frei ist. Das Gerät mit dem kleinsten Zählerwert sendet zuerst.
Kommt es dennoch zu einer Kollision (erkennbar am Ausbleiben der Empfangsbestätigung), verdoppelt sich das Contention Window beim nächsten Versuch. Dieses Binary Exponential Backoff reduziert die Wahrscheinlichkeit erneuter Kollisionen erheblich.
RTS/CTS-Mechanismus
Für größere Datenübertragungen oder bei bekannten Hidden-Node-Problemen kann optional der RTS/CTS-Mechanismus (Request to Send / Clear to Send) aktiviert werden. Dabei reserviert ein Gerät den Kanal explizit, bevor es größere Datenmengen überträgt:
- Der Sender schickt einen kurzen RTS-Frame (Request to Send) an den Empfänger
- Der Empfänger antwortet mit einem CTS-Frame (Clear to Send)
- Alle Geräte in Reichweite des RTS oder CTS wissen nun, dass der Kanal belegt ist
- Der Sender überträgt seine Daten
- Der Empfänger bestätigt mit einem ACK-Frame
Der RTS/CTS-Austausch erzeugt zwar zusätzlichen Overhead, löst aber das Hidden-Node-Problem effektiv. In der Praxis wird er häufig nur ab einer bestimmten Frame-Größe aktiviert.
Vergleich: CSMA/CA vs. CSMA/CD
CSMA/CA und CSMA/CD basieren auf demselben Grundprinzip des Carrier Sense, unterscheiden sich aber fundamental in ihrer Strategie zum Umgang mit Kollisionen. Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Unterschiede:
| Aspekt | CSMA/CA (WLAN) | CSMA/CD (Ethernet) |
|---|---|---|
| Strategie | Kollisionsvermeidung | Kollisionserkennung |
| Medium | Funkwellen (drahtlos) | Kabel (kabelgebunden) |
| Standard | IEEE 802.11 | IEEE 802.3 |
| Kollisionserkennung | Nicht möglich während des Sendens | Möglich durch Signalüberwachung |
| Wartezeiten | IFS + zufälliges Backoff vor dem Senden | Backoff nur nach Kollision |
| Bestätigungen | ACK-Frames erforderlich | Keine expliziten ACKs |
| RTS/CTS | Optional verfügbar | Nicht vorhanden |
| Kollisionsdomäne | Alle Geräte im Funkbereich | Durch Switches segmentiert |
| Effizienz | Geringer durch Overhead | Höher bei Vollduplex |
Der wesentliche Unterschied liegt im Zeitpunkt der Maßnahmen: CSMA/CD reagiert auf Kollisionen, nachdem sie aufgetreten sind. CSMA/CA versucht hingegen, Kollisionen von vornherein zu verhindern. Diese präventive Strategie ist bei Funkübertragungen notwendig, da Kollisionen dort nicht zuverlässig erkannt werden können. Der Preis dafür ist ein höherer Protokoll-Overhead durch Wartezeiten und Bestätigungsmechanismen.
DCF und PCF: Koordinationsfunktionen
Der IEEE 802.11-Standard definiert zwei Koordinationsfunktionen für den Medienzugriff. Die Distributed Coordination Function (DCF) ist die Basisfunktion und implementiert das beschriebene CSMA/CA-Verfahren. DCF arbeitet vollständig dezentral: Jedes Gerät entscheidet selbstständig, wann es senden darf.
Die Point Coordination Function (PCF) ist eine optionale Erweiterung, bei der der Access Point die Kanalzugriffe zentral koordiniert. PCF ist für zeitkritische Anwendungen gedacht, wird in der Praxis aber selten eingesetzt. Stattdessen nutzen moderne WLAN-Standards wie 802.11e Quality-of-Service-Mechanismen (WMM), die auf einer erweiterten DCF basieren.
CSMA/CA in modernen WLAN-Standards
CSMA/CA bildet nach wie vor das Fundament aller WLAN-Generationen, von 802.11b bis zum aktuellen Wi-Fi 7 (802.11be). Neuere Standards haben das Verfahren jedoch um zusätzliche Mechanismen erweitert:
- OFDMA (Orthogonal Frequency Division Multiple Access): Ab Wi-Fi 6 können mehrere Geräte gleichzeitig auf verschiedenen Frequenzbereichen senden, was die Effizienz deutlich steigert.
- MU-MIMO (Multi-User Multiple Input Multiple Output): Ermöglicht die gleichzeitige Kommunikation mit mehreren Geräten.
- BSS Coloring: Hilft bei der Unterscheidung überlappender Netzwerke und reduziert unnötige Wartezeiten.
Diese Erweiterungen ergänzen CSMA/CA, ersetzen es aber nicht. Das Grundprinzip des kontrollierten Kanalzugriffs mit Kollisionsvermeidung bleibt bestehen.
Praktische Bedeutung für die IT
Das Verständnis von CSMA/CA ist für IT-Fachleute aus mehreren Gründen relevant. Bei der Planung und Optimierung von WLAN-Netzwerken hilft es zu verstehen, warum die tatsächliche Datenrate immer unter der theoretischen Maximum-Rate liegt: Der Protokoll-Overhead durch Wartezeiten, Bestätigungen und Backoff-Phasen kostet Bandbreite.
Auch bei der Fehlersuche in WLANs ist dieses Wissen nützlich. Hohe Latenzen oder Durchsatzprobleme können auf zu viele Geräte in einer Kollisionsdomäne, Hidden-Node-Situationen oder ungünstige Kanalauswahl zurückzuführen sein. Mit dem Wissen über CSMA/CA lassen sich solche Probleme systematisch analysieren und beheben.
Quellen und weiterführende Links
- IEEE 802.11 Working Group - Offizielle Seite des IEEE 802.11-Standards
- CSMA/CA - Wikipedia - Ausführlicher Artikel mit technischen Details
- WLAN-Zugriffsverfahren - Elektronik-Kompendium - Deutsche Erklärung der WLAN-Grundlagen