LLM
LLM steht für Large Language Model (deutsch: Großes Sprachmodell) und bezeichnet eine Klasse von KI-Systemen, die auf Deep Learning basieren und darauf trainiert sind, natürliche Sprache zu verstehen und zu generieren. LLMs bilden die technologische Grundlage für moderne KI-Assistenten wie ChatGPT, Claude oder Gemini.
Diese Modelle werden mit enormen Mengen an Textdaten trainiert und können Eingaben in natürlicher Sprache analysieren, darauf reagieren und eigenständig kohärente, kontextbezogene Texte erzeugen. Für Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung und andere IT-Fachkräfte werden LLMs zunehmend zu einem wichtigen Werkzeug im Arbeitsalltag.
Wie funktioniert ein LLM?
Ein LLM funktioniert als computerlinguistisches Wahrscheinlichkeitsmodell. Es hat durch intensives Training statistische Beziehungen zwischen Wörtern und Sätzen aus Milliarden von Textdokumenten erlernt. Wenn du eine Frage an ein LLM stellst, analysiert es deine Eingabe und berechnet, welche Wörter mit der höchsten Wahrscheinlichkeit als Antwort folgen sollten.
Das zentrale Merkmal moderner LLMs ist die Transformer-Architektur. Diese wurde 2017 von Google-Forschern in dem Paper "Attention Is All You Need" vorgestellt und revolutionierte die Sprachverarbeitung. Im Gegensatz zu älteren Architekturen kann ein Transformer alle Wörter eines Textes gleichzeitig betrachten und ihre Beziehungen zueinander erkennen.
Der Attention-Mechanismus
Der Attention-Mechanismus (Aufmerksamkeitsmechanismus) ist das Herzstück der Transformer-Architektur. Er ermöglicht dem Modell zu entscheiden, welche Wörter in einem Satz besonders wichtig sind, um den Zusammenhang zu verstehen. Stell dir vor, du liest den Satz "Die Katze saß auf der Matte, weil sie müde war." Der Attention-Mechanismus hilft dem Modell zu erkennen, dass sich "sie" auf "die Katze" bezieht und nicht auf "die Matte".
Durch diesen Mechanismus kann das Modell nicht nur einzelne Begriffe verstehen, sondern auch Bedeutung, Kontext und Struktur eines Textes erfassen. Das führt zu deutlich genaueren und kontextbezogeneren Antworten als bei früheren Sprachmodellen.
Architektur eines LLM
Ein LLM besteht aus mehreren neuronalen Netzwerkschichten, die zusammenarbeiten:
- Tokenizer: Zerlegt den Eingabetext in kleinere Einheiten (Tokens), die das Modell verarbeiten kann
- Embedding-Schicht: Wandelt Tokens in numerische Vektoren um, die semantische Bedeutung erfassen
- Transformer-Blöcke: Mehrere Schichten mit Attention-Mechanismen und Feedforward-Netzwerken
- Ausgabeschicht: Berechnet Wahrscheinlichkeiten für das nächste Token und generiert die Antwort
Training von Large Language Models
Das Training eines LLM erfolgt in mehreren Phasen und erfordert enorme Rechenressourcen. Große Modelle wie GPT-4 oder Claude wurden auf Tausenden von GPUs über Wochen oder Monate trainiert.
Pre-Training
Im Pre-Training lernt das Modell grundlegende Sprachstrukturen. Es wird mit riesigen Textmengen gefüttert - oft Billionen von Wörtern aus dem Internet, Büchern, Wikipedia und anderen Quellen. Das Modell lernt dabei, das nächste Wort in einem Satz vorherzusagen. Durch dieses selbstüberwachte Lernen entwickelt es ein Verständnis für Grammatik, Semantik und Weltwissen.
Fine-Tuning
Nach dem Pre-Training wird das Modell durch Fine-Tuning auf spezifische Aufgaben optimiert. Dabei wird es mit kuratierten Datensätzen trainiert, die zeigen, wie gute Antworten aussehen sollten. Das Fine-Tuning macht das Modell hilfreicher und sicherer in der Anwendung.
RLHF - Reinforcement Learning from Human Feedback
RLHF ist eine Trainingsmethode, bei der menschliche Bewerter verschiedene Modellantworten vergleichen und bewerten. Das Modell lernt dann, Antworten zu generieren, die Menschen als hilfreicher, korrekter und sicherer einstufen. Diese Methode hat maßgeblich dazu beigetragen, dass moderne LLMs wie ChatGPT so natürlich und hilfreich kommunizieren können.
Wichtige Parameter und Konzepte
Beim Arbeiten mit LLMs begegnest du verschiedenen technischen Begriffen, die für das Verständnis und die praktische Anwendung wichtig sind.
Tokenisierung
Tokens sind die Grundeinheiten, mit denen LLMs arbeiten. Ein Token kann ein Wort, ein Worteil oder ein Satzzeichen sein. Der Satz "Hallo, wie geht es dir?" wird in etwa 6-8 Tokens zerlegt. Die meisten LLMs haben ein Kontextfenster, das die maximale Anzahl an Tokens begrenzt, die gleichzeitig verarbeitet werden können - bei modernen Modellen oft 100.000 Tokens oder mehr.
Temperature
Der Temperature-Parameter steuert die Kreativität der Modellantworten. Ein niedriger Wert (z.B. 0.1) führt zu deterministischen, vorhersagbaren Antworten - gut für Fakten und Code. Ein hoher Wert (z.B. 0.9) erzeugt kreativere, vielfältigere Ausgaben - besser für kreatives Schreiben oder Brainstorming.
Inferenz
Inferenz bezeichnet den Prozess, bei dem ein trainiertes Modell auf neue Eingaben reagiert und Ausgaben generiert. Im Gegensatz zum Training, das einmalig und rechenintensiv ist, muss die Inferenz schnell und effizient sein, da sie bei jeder Nutzeranfrage durchgeführt wird.
Geschichte und Entwicklung
Die Entwicklung von LLMs hat in den letzten Jahren eine rasante Beschleunigung erfahren. Die wichtigsten Meilensteine markieren den Weg von experimentellen Forschungsprojekten zu alltagstauglichen KI-Assistenten.
- 2017: Google veröffentlicht das Transformer-Paper "Attention Is All You Need"
- 2018: OpenAI stellt GPT-1 vor, Google veröffentlicht BERT
- 2019: GPT-2 zeigt beeindruckende Textgenerierung
- 2020: GPT-3 mit 175 Milliarden Parametern setzt neue Maßstäbe
- 2022: ChatGPT wird veröffentlicht und erreicht in 5 Tagen 1 Million Nutzer
- 2023: GPT-4, Claude 2, Llama 2 und Gemini erscheinen
- 2024/2025: Claude 3.5, GPT-4o, Llama 3 und weitere Modelle mit verbesserter Leistung
Bekannte LLM-Anbieter und Modelle
Der Markt für Large Language Models wird von mehreren großen Anbietern geprägt, die jeweils eigene Stärken haben.
OpenAI - GPT-Serie
OpenAI ist der Pionier der modernen LLM-Entwicklung. Mit ChatGPT haben sie LLMs einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Die GPT-4-Modellreihe gilt als eines der leistungsfähigsten kommerziellen LLMs und kann Text, Code und sogar Bilder verarbeiten.
Anthropic - Claude
Anthropic wurde von ehemaligen OpenAI-Mitarbeitern gegründet und entwickelt Claude - ein LLM mit Fokus auf Sicherheit und Zuverlässigkeit. Claude zeichnet sich durch besonders lange Kontextfenster und nuancierte Antworten aus.
Google - Gemini
Google Gemini ist Googles neueste LLM-Familie und nativ multimodal - das heißt, sie kann von Grund auf mit Text, Bildern, Audio und Video arbeiten. Gemini ist in Google-Produkte wie die Suche und Workspace integriert.
Meta - Llama
Meta Llama ist eine Open-Source-Modellreihe, die Entwicklern ermöglicht, LLMs lokal zu betreiben und anzupassen. Llama 3 konkurriert in der Leistung mit proprietären Modellen und ist besonders für Unternehmen interessant, die Datenschutzanforderungen erfüllen müssen.
Mistral AI
Mistral AI ist ein französisches Unternehmen, das effiziente Open-Source-Modelle entwickelt. Mistral-Modelle sind bekannt für ihr gutes Verhältnis zwischen Leistung und Ressourcenverbrauch.
Anwendungsgebiete von LLMs
Large Language Models finden in vielen Bereichen praktische Anwendung. Ihre Fähigkeit, natürliche Sprache zu verstehen und zu generieren, eröffnet vielfältige Einsatzmöglichkeiten.
Chatbots und virtuelle Assistenten
LLMs treiben moderne Chatbots an, die natürliche Konversationen führen können. Im Kundenservice beantworten sie Fragen, lösen Probleme und leiten komplexe Anfragen an menschliche Mitarbeiter weiter. Die Qualität dieser Interaktionen hat sich durch LLMs dramatisch verbessert.
Code-Generierung und Entwicklungsunterstützung
Für Softwareentwickler sind LLMs zu unverzichtbaren Werkzeugen geworden. Sie können Code generieren, Fehler erklären, Dokumentation schreiben und bei der Architekturplanung helfen. Tools wie GitHub Copilot nutzen LLMs, um Entwicklern in Echtzeit Codevorschläge zu machen.
# Beispiel: Ein LLM kann aus einer natürlichsprachlichen Beschreibung Code generieren
# Prompt: "Schreibe eine Python-Funktion, die prüft, ob eine Zahl eine Primzahl ist"
def ist_primzahl(n):
if n < 2:
return False
for i in range(2, int(n ** 0.5) + 1):
if n % i == 0:
return False
return True
Textanalyse und -verarbeitung
LLMs können große Textmengen zusammenfassen, Kernaussagen extrahieren, Dokumente klassifizieren und Stimmungsanalysen durchführen. In Unternehmen werden sie eingesetzt, um E-Mails zu kategorisieren, Verträge zu analysieren oder Marktforschungsdaten auszuwerten.
Übersetzung und Lokalisierung
Moderne LLMs liefern Übersetzungen, die oft nahezu muttersprachliche Qualität erreichen. Sie verstehen Kontext und Nuancen besser als ältere maschinelle Übersetzungssysteme und können Texte an kulturelle Besonderheiten anpassen.
LLMs in der IT-Praxis
Für IT-Fachkräfte werden LLMs zunehmend zu einem alltäglichen Arbeitswerkzeug. Sie verändern die Art, wie Software entwickelt, Systeme administriert und Probleme gelöst werden.
Als Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung kannst du LLMs nutzen, um schneller zu programmieren, Code zu verstehen und Dokumentation zu erstellen. In der Systemintegration helfen sie bei der Analyse von Logdateien, dem Schreiben von Skripten und der Fehlerdiagnose.
Wichtig ist dabei, die Grenzen von LLMs zu kennen: Sie können "halluzinieren" - also plausibel klingende, aber falsche Informationen generieren. Code von LLMs sollte immer geprüft und getestet werden. LLMs sind mächtige Assistenten, ersetzen aber nicht das fachliche Verständnis und kritische Denken.
Limitierungen und Herausforderungen
Trotz ihrer beeindruckenden Fähigkeiten haben LLMs wichtige Einschränkungen, die du kennen solltest:
- Halluzinationen: LLMs können falsche Informationen überzeugend formulieren
- Wissensgrenze: Das Wissen ist auf den Trainingszeitpunkt beschränkt
- Kein echtes Verständnis: LLMs arbeiten mit statistischen Mustern, nicht mit echtem Weltwissen
- Rechenressourcen: Training und Betrieb erfordern erhebliche Rechenleistung
- Bias: Vorurteile aus Trainingsdaten können sich in Modellantworten widerspiegeln
- Datenschutz: Sensible Daten sollten nicht in Cloud-basierte LLMs eingegeben werden
Zugriff auf LLMs über APIs
Entwickler können LLMs über APIs in eigene Anwendungen integrieren. Die meisten Anbieter stellen REST-APIs bereit, die einfach anzusprechen sind:
# Beispiel: Einfacher API-Aufruf an ein LLM (vereinfacht)
import requests
response = requests.post(
"https://api.example.com/v1/chat",
headers={"Authorization": "Bearer API_KEY"},
json={
"model": "gpt-4",
"messages": [{"role": "user", "content": "Was ist ein LLM?"}],
"temperature": 0.7
}
)
print(response.json()["choices"][0]["message"]["content"])