EIGRP
EIGRP (Enhanced Interior Gateway Routing Protocol) ist ein fortschrittliches Routing-Protokoll, das ursprünglich von Cisco entwickelt wurde. Es kombiniert die Vorteile von Distance-Vector- und Link-State-Protokollen und wird daher oft als Hybrid-Routing-Protokoll bezeichnet. EIGRP ermöglicht eine schnelle Konvergenz und effiziente Nutzung der Netzwerkbandbreite.
Im Gegensatz zu einfacheren Protokollen wie RIP nutzt EIGRP den DUAL-Algorithmus (Diffusing Update Algorithm), um schleifenfreie Pfade zu berechnen und Backup-Routen vorzuhalten. Dadurch kann EIGRP bei Netzwerkausfällen nahezu sofort auf alternative Routen umschalten, ohne aufwändige Neuberechnungen durchführen zu müssen.
Geschichte und Entwicklung
EIGRP wurde in den 1990er Jahren von Cisco als proprietäres Protokoll entwickelt und war lange Zeit nur auf Cisco-Geräten verfügbar. Die Algorithmen basieren auf Forschungsergebnissen von SRI International. Diese Einschränkung änderte sich 2013, als Cisco das Protokoll als Informational RFC bei der IETF einreichte.
Mit der Veröffentlichung von RFC 7868 im Jahr 2016 wurde EIGRP als offener Standard dokumentiert. Seitdem können auch andere Hersteller EIGRP implementieren, was die Interoperabilität in heterogenen Netzwerkumgebungen verbessert. In der Praxis bleibt EIGRP jedoch hauptsächlich in Cisco-dominierten Umgebungen verbreitet.
Der DUAL-Algorithmus
Das Herzstück von EIGRP ist der Diffusing Update Algorithm (DUAL). Er garantiert zu jedem Zeitpunkt schleifenfreie Pfade und ermöglicht eine extrem schnelle Konvergenz. DUAL verwaltet mehrere Tabellen und wählt nicht nur den besten Pfad, sondern speichert auch Backup-Routen für den Notfall.
Successor und Feasible Successor
DUAL unterscheidet zwischen dem Successor (primärer Pfad) und dem Feasible Successor (Backup-Pfad). Der Successor ist der Nachbar mit der besten Metrik zu einem Zielnetzwerk und wird in die aktive Routing-Tabelle eingetragen. Der Feasible Successor ist ein vorberechneter Backup-Pfad, der sofort aktiviert werden kann, falls der Successor ausfällt.
Damit ein Nachbar als Feasible Successor qualifiziert, muss die sogenannte Feasibility Condition erfüllt sein: Die vom Nachbarn gemeldete Distanz (Reported Distance) muss kleiner sein als die aktuell beste bekannte Distanz (Feasible Distance). Diese Bedingung stellt sicher, dass keine Routing-Schleifen entstehen können.
EIGRP-Metriken
EIGRP verwendet eine zusammengesetzte Metrik, die aus mehreren Netzwerkparametern berechnet wird. Anders als RIP, das nur Hop Counts zählt, berücksichtigt EIGRP die tatsächliche Qualität der Verbindungen:
- Bandbreite: Die kleinste Bandbreite auf dem gesamten Pfad (in Kbit/s)
- Verzögerung (Delay): Die kumulative Verzögerung aller Links auf dem Pfad
- Zuverlässigkeit (Reliability): Die Fehlerrate der Verbindungen (standardmäßig deaktiviert)
- Last (Load): Die aktuelle Auslastung der Links (standardmäßig deaktiviert)
In der Standardkonfiguration verwendet EIGRP nur Bandbreite und Delay für die Metrikberechnung. Diese beiden Parameter sind stabil und ändern sich nicht ständig, was zu einer stabileren Routing-Tabelle führt. Die Formel berücksichtigt K-Werte als Gewichtungsfaktoren, wobei standardmäßig K1=K3=1 und K2=K4=K5=0 gesetzt sind.
EIGRP-Pakettypen
Die Kommunikation zwischen EIGRP-Routern erfolgt über fünf verschiedene Pakettypen. Jeder Typ erfüllt eine spezifische Funktion im Protokollablauf:
| Pakettyp | Funktion |
|---|---|
| Hello | Nachbarerkennung und Aufrechterhaltung der Nachbarschaftsbeziehung |
| Update | Übermittlung von Routing-Informationen bei Änderungen |
| Query | Anfrage nach alternativen Routen bei Ausfall des Successors |
| Reply | Antwort auf Query-Pakete mit Routing-Informationen |
| ACK | Bestätigung für zuverlässig übertragene Pakete |
Hello-Pakete werden regelmäßig gesendet (standardmäßig alle 5 Sekunden auf schnellen Links), um Nachbarschaftsbeziehungen aufzubauen und zu überwachen. EIGRP nutzt das Reliable Transport Protocol (RTP), um sicherzustellen, dass wichtige Routing-Updates zuverlässig zugestellt werden. Im Gegensatz zu RIP sendet EIGRP Updates nur bei tatsächlichen Änderungen, nicht periodisch.
Vergleich: EIGRP vs. OSPF vs. RIP
EIGRP positioniert sich zwischen dem einfachen RIP und dem komplexen OSPF. Jedes Protokoll hat seine Stärken und eignet sich für unterschiedliche Einsatzszenarien:
| Aspekt | EIGRP | OSPF | RIP |
|---|---|---|---|
| Algorithmus | DUAL (Hybrid) | Dijkstra (Link-State) | Bellman-Ford (Distance-Vector) |
| Konvergenz | Sehr schnell | Moderat | Langsam |
| Max. Hop Count | 255 (konfigurierbar) | Unbegrenzt | 15 |
| Bandbreiteneffizienz | Hoch (Updates bei Bedarf) | Mittel | Niedrig (periodische Updates) |
| Komplexität | Mittel | Hoch | Niedrig |
| Standard | RFC 7868 (seit 2016) | RFC 2328 | RFC 2453 |
EIGRP bietet die schnellste Konvergenz der drei Protokolle, da es mit dem Feasible Successor sofort auf Backup-Routen umschalten kann. OSPF berechnet dagegen bei jedem Topologiewechsel den gesamten Shortest Path Tree neu. RIP ist zwar am einfachsten zu konfigurieren, aber durch die 15-Hop-Begrenzung und die langsame Konvergenz nur für kleine Netzwerke geeignet. Für Provider-Netze und die Kommunikation zwischen autonomen Systemen wird BGP eingesetzt.
EIGRP-Konfiguration
Die Basiskonfiguration von EIGRP auf einem Cisco-Router ist relativ einfach. Du aktivierst den EIGRP-Prozess mit einer Autonomous-System-Nummer und gibst an, welche Netzwerke im EIGRP-Routing teilnehmen sollen:
Router(config)# router eigrp 100
Router(config-router)# network 192.168.1.0
Router(config-router)# network 10.0.0.0
Router(config-router)# no auto-summary
Die Nummer 100 im Beispiel ist die Autonomous-System-Nummer (AS-Nummer), die auf allen EIGRP-Routern im Netzwerk identisch sein muss. Der Befehl no auto-summary deaktiviert die automatische Zusammenfassung von Netzwerken an Klassengrenzen, was für moderne Netzwerke mit CIDR und Subnetting wichtig ist.
Wichtige Befehle zur Überwachung
Zur Diagnose und Überwachung von EIGRP stehen verschiedene Show-Befehle zur Verfügung. Diese helfen dir, den Status der Nachbarschaften, die Topologie-Tabelle und die daraus resultierenden Routen zu analysieren:
Router# show ip eigrp neighbors
Router# show ip eigrp topology
Router# show ip route eigrp
Router# show ip protocols
Vor- und Nachteile
Vorteile von EIGRP
EIGRP bietet zahlreiche Vorteile, die es zu einer attraktiven Wahl für Enterprise-Netzwerke machen:
- Sehr schnelle Konvergenz durch vorberechnete Backup-Routen (Feasible Successor)
- Effiziente Bandbreitennutzung durch inkrementelle Updates statt periodischer Vollupdates
- Flexible Metrik mit Berücksichtigung von Bandbreite und Delay
- Load Balancing über bis zu 32 gleichwertige oder ungleichwertige Pfade möglich
- Unterstützung für mehrere Protokolle (IPv4, IPv6, früher auch IPX und AppleTalk)
- Einfachere Konfiguration als OSPF, da keine Area-Planung erforderlich ist
Nachteile von EIGRP
Trotz seiner Stärken hat EIGRP auch einige Einschränkungen, die bei der Netzwerkplanung berücksichtigt werden sollten:
- Historisch proprietär: Obwohl seit 2016 als RFC dokumentiert, ist EIGRP auf Nicht-Cisco-Geräten weniger verbreitet
- SIA-Problem: Router können in den Status "Stuck in Active" geraten, wenn Query-Antworten ausbleiben
- Keine Standards-Historie: Im Vergleich zu OSPF weniger dokumentierte Best Practices und Erfahrungen in Multi-Vendor-Umgebungen
- Vendor-Lock-in-Risiko: In gemischten Umgebungen kann der Einsatz problematisch sein
Einsatzgebiete
EIGRP eignet sich besonders für mittlere bis große Enterprise-Netzwerke, die überwiegend Cisco-Ausrüstung nutzen. Typische Einsatzszenarien umfassen:
- Campus-Netzwerke: Verbindung von Gebäuden und Stockwerken mit schneller Konvergenz bei Ausfällen
- WAN-Verbindungen: Anbindung von Filialen an die Zentrale mit Load Balancing über mehrere Leitungen
- Rechenzentren: Interne Vernetzung mit hohen Anforderungen an Verfügbarkeit und schnelles Failover
- Netzwerke mit variabler Bandbreite: Umgebungen, in denen die unterschiedliche Leistungsfähigkeit von Links berücksichtigt werden muss
Als Fachinformatiker für Systemintegration wirst du EIGRP vor allem in Cisco-basierten Unternehmensumgebungen begegnen. Das Verständnis der grundlegenden Konzepte wie DUAL, Successor und Feasible Successor hilft dir dabei, Routing-Probleme zu analysieren und Netzwerke effizient zu planen.
Quellen und weiterführende Links
- RFC 7868 - Cisco's Enhanced Interior Gateway Routing Protocol (EIGRP) - Offizielle EIGRP-Spezifikation
- Cisco EIGRP Documentation - Umfassende Cisco-Dokumentation
- EIGRP - Elektronik-Kompendium - Deutschsprachige Erklärung