ERP
ERP (Enterprise Resource Planning) bezeichnet eine Kategorie von betriebswirtschaftlicher Software, die saemtliche Geschaeftsprozesse eines Unternehmens in einem integrierten System zusammenfuehrt. Ein ERP-System verwaltet Ressourcen wie Finanzen, Personal, Material, Produktion und Vertrieb ueber eine gemeinsame Datenbasis. Statt isolierter Einzelloesungen fuer jede Abteilung bietet ERP eine zentrale Plattform, auf der alle Unternehmensbereiche zusammenarbeiten.
Fuer IT-Fachkraefte ist ERP ein zentrales Thema: Als Fachinformatiker fuer Anwendungsentwicklung entwickelst du moeglicherweise Erweiterungen oder Schnittstellen fuer ERP-Systeme. Als Fachinformatiker fuer Systemintegration bist du fuer die Installation, Konfiguration und Wartung der ERP-Infrastruktur zustaendig.
Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte der ERP-Systeme beginnt in den 1960er Jahren mit einfachen Programmen zur Materialbedarfsplanung. Diese fruehen Systeme legten den Grundstein fuer die integrierten Unternehmensloesungen, die wir heute kennen.
Von MRP zu ERP
In den 1960er Jahren entstanden die ersten MRP-Systeme (Material Requirements Planning). Diese Software berechnete den Materialbedarf fuer die Produktion und optimierte die Lagerhaltung. In den 1980er Jahren erweiterte sich der Funktionsumfang zu MRP II (Manufacturing Resource Planning), das neben Material auch Kapazitaeten und Fertigungsplanung einbezog.
Der Begriff ERP wurde erstmals 1990 von der Forschungsfirma Gartner gepraegt. Er beschreibt die Erweiterung von MRP II um weitere Unternehmensbereiche wie Finanzbuchhaltung, Personalwesen und Vertrieb. Damit war das Konzept geboren, alle Geschaeftsprozesse in einer einzigen Software abzubilden.
Wichtige Meilensteine
Die Entwicklung von ERP-Systemen verlief parallel zur Evolution der IT-Infrastruktur. Von Grossrechnern ueber Client-Server-Architekturen bis hin zu modernen Cloud-Loesungen haben sich ERP-Systeme kontinuierlich weiterentwickelt.
- 1960er Jahre: Erste MRP-Systeme zur Materialbedarfsplanung
- 1972: Gruendung von SAP in Deutschland
- 1980er Jahre: MRP II erweitert den Funktionsumfang um Fertigungsplanung
- 1990: Gartner praegt den Begriff "Enterprise Resource Planning"
- 1990er Jahre: SAP R/3, Oracle und weitere ERP-Anbieter etablieren sich
- 2000er Jahre: Webbasierte ERP-Oberflaechen entstehen
- 2010er Jahre: Cloud-ERP wird populaer (SaaS-Modelle)
- 2020er Jahre: KI-Integration und mobile ERP-Loesungen
Kernmodule eines ERP-Systems
Ein ERP-System besteht aus verschiedenen Modulen, die jeweils einen Unternehmensbereich abdecken. Alle Module greifen auf eine gemeinsame Datenbank zu, sodass Informationen in Echtzeit verfuegbar sind und Doppelerfassungen vermieden werden.
Finanzbuchhaltung (FI)
Das Finanzmodul ist das Herzstck jedes ERP-Systems. Es verwaltet Hauptbuch, Debitoren, Kreditoren, Anlagenvermoegen und Bankkonten. Alle anderen Module buchen ihre finanziellen Transaktionen automatisch ins Finanzmodul. So entsteht ein lueckenloses Bild der Unternehmensfinanzen.
Controlling (CO)
Das Controlling-Modul ergaenzt die Finanzbuchhaltung um interne Auswertungen. Es ermoeglicht Kostenstellenrechnung, Profitcenter-Analyse und Deckungsbeitragsrechnung. Manager erhalten damit Einblicke in die Rentabilitaet einzelner Produkte, Projekte oder Unternehmensbereiche.
Materialwirtschaft (MM)
Die Materialwirtschaft deckt den gesamten Beschaffungsprozess ab: von der Bedarfsermittlung ueber Bestellanforderungen und Einkauf bis zur Rechnungspruefung. Das Modul verwaltet Lagerbestaende, fuehrt automatische Bestellvorschlaege durch und optimiert die Lieferantenauswahl.
Vertrieb (SD)
Das Sales-and-Distribution-Modul steuert alle Vertriebsprozesse. Es umfasst Angebotserstellung, Auftragsabwicklung, Lieferung und Fakturierung. Kundendaten, Preislisten und Rabattvereinbarungen werden zentral gepflegt und stehen allen Vertriebsmitarbeitern zur Verfuegung.
Produktion (PP)
Die Produktionsplanung und -steuerung organisiert den gesamten Fertigungsprozess. Das Modul plant Produktionsauftraege basierend auf Kundenbestellungen und Lagerbestaenden, erstellt Arbeitplaene und ueberwacht den Fertigungsfortschritt.
Personalwesen (HR)
Das HR-Modul (Human Resources) verwaltet alle personalbezogenen Prozesse: Stammdatenpflege, Zeiterfassung, Lohn- und Gehaltsabrechnung, Personalentwicklung und Bewerbermanagement. Es integriert sich mit der Finanzbuchhaltung fuer automatische Gehaltsverbuchungen.
Fuehrende ERP-Anbieter
Der ERP-Markt wird von einigen grossen Anbietern dominiert. Je nach Unternehmensgroesse und Branche eignen sich unterschiedliche Loesungen.
SAP
SAP ist der weltweit bekannteste ERP-Anbieter. Das deutsche Unternehmen wurde 1972 gegruendet und bietet mit SAP S/4HANA die aktuelle Produktgeneration an. SAP ist besonders bei Grossunternehmen und Konzernen verbreitet. In Deutschland nutzen die meisten DAX-Unternehmen SAP als ERP-System.
Oracle
Oracle ist SAPs groesster Konkurrent im Enterprise-Segment. Mit Oracle Fusion Cloud ERP bietet das Unternehmen eine moderne Cloud-Loesung an. Oracle punktet besonders bei Unternehmen, die bereits Oracle-Datenbanken einsetzen.
Microsoft Dynamics
Microsoft Dynamics 365 richtet sich an mittelstaendische Unternehmen. Die Loesung integriert sich nahtlos mit Microsoft Office und Azure. Durch die vertraute Microsoft-Oberflaeche ist die Einarbeitung fuer viele Anwender einfacher als bei anderen ERP-Systemen.
Weitere Anbieter
Neben den Marktfuehrern gibt es zahlreiche weitere ERP-Anbieter. Infor spezialisiert sich auf branchenspezifische Loesungen. Sage und Exact bedienen den Mittelstand. Fuer kleine Unternehmen gibt es Open-Source-Alternativen wie Odoo oder ERPNext.
Technische Architektur
Moderne ERP-Systeme basieren auf einer mehrschichtigen Architektur. Das Verstaendnis dieser Struktur ist fuer IT-Fachkraefte essenziell, um ERP-Systeme zu implementieren, zu warten und zu optimieren.
Drei-Schichten-Architektur
Die klassische ERP-Architektur besteht aus drei Schichten: Die Datenbankschicht speichert alle Unternehmensdaten in einer relationalen Datenbank. Die Applikationsschicht enthaelt die Geschaeftslogik und verarbeitet Anfragen. Die Praesentationsschicht stellt die Benutzeroberflaeche bereit - heute meist als Web-Anwendung oder mobile App.
On-Premise vs. Cloud
Bei der On-Premise-Variante betreibt das Unternehmen die ERP-Server im eigenen Rechenzentrum. Das bietet maximale Kontrolle, erfordert aber eigene IT-Infrastruktur und Fachpersonal. Bei Cloud-ERP (Software as a Service) laeuft das System beim Anbieter. Updates erfolgen automatisch, und die Kosten sind besser planbar. Viele Unternehmen setzen auf Hybrid-Loesungen, bei denen sensible Daten lokal bleiben, waehrend andere Funktionen aus der Cloud kommen.
Schnittstellen und Integration
ERP-Systeme muessen mit anderen Anwendungen kommunizieren: Webshops, Produktionsmaschinen, Logistikpartner oder Banken. Dafuer nutzen sie verschiedene Schnittstellentechnologien. REST-APIs ermoeglichen die Integration mit modernen Webanwendungen. EDI (Electronic Data Interchange) dient dem standardisierten Datenaustausch zwischen Unternehmen. RFC (Remote Function Call) ist SAPs proprietaere Schnittstelle fuer die Kommunikation zwischen SAP-Systemen.
ERP-Einfuehrung in Unternehmen
Die Einfuehrung eines ERP-Systems ist eines der komplexesten IT-Projekte, das ein Unternehmen durchfuehren kann. Die Implementierung dauert typischerweise 6 bis 24 Monate und erfordert intensive Zusammenarbeit zwischen IT, Fachabteilungen und externen Beratern.
Phasen der Einfuehrung
Eine ERP-Einfuehrung folgt typischerweise einem strukturierten Vorgehensmodell. In der Analysephase werden bestehende Prozesse dokumentiert und Anforderungen definiert. Die Konzeptionsphase legt fest, wie das ERP-System die Anforderungen umsetzen soll. In der Realisierungsphase wird das System konfiguriert, angepasst und mit Daten befuellt. Nach umfangreichen Tests folgt der Go-Live - die produktive Inbetriebnahme.
Herausforderungen
ERP-Projekte scheitern haeufiger als andere IT-Projekte. Die groessten Risiken sind unrealistische Zeitplaene, unzureichendes Change Management und mangelnde Einbindung der Fachabteilungen. Erfolgreiche Projekte zeichnen sich durch klare Projektorganisation, fruehzeitige Anwenderschulung und konsequentes Anforderungsmanagement aus.
Vergleich: ERP vs. spezialisierte Einzelloesungen
Unternehmen stehen vor der Wahl zwischen integrierten ERP-Systemen und spezialisierten Einzelloesungen (Best-of-Breed). Beide Ansaetze haben Vor- und Nachteile.
| Aspekt | ERP-System | Einzelloesungen |
|---|---|---|
| Integration | Nativ integriert | Schnittstellen erforderlich |
| Funktionstiefe | Breite Abdeckung, moderate Tiefe | Spezialisiert, hohe Funktionstiefe |
| Anbieterabhaengigkeit | Hohe Abhaengigkeit von einem Anbieter | Flexibilitaet bei Anbieterwechsel |
| Kosten | Hohe Initialkosten, geringere Schnittstellenkosten | Geringere Einzelkosten, hoehere Integrationskosten |
| Wartung | Ein System zu pflegen | Mehrere Systeme mit Updates |
Fuer die meisten mittelstaendischen und grossen Unternehmen ueberwiegen die Vorteile eines integrierten ERP-Systems. Die gemeinsame Datenbasis vermeidet Inkonsistenzen und ermoeglicht Echtzeitauswertungen ueber alle Unternehmensbereiche. Kleine Unternehmen koennen hingegen oft mit spezialisierten Loesungen starten und spaeter bei Bedarf auf ERP umsteigen.
Aktuelle Trends
Der ERP-Markt entwickelt sich stetig weiter. Mehrere Trends praegen die aktuellen Entwicklungen und werden die Zukunft von ERP-Systemen bestimmen.
Cloud-First und SaaS
Immer mehr Unternehmen migrieren ihre ERP-Systeme in die Cloud. SAP plant, den Support fuer die On-Premise-Version SAP ECC bis 2027 einzustellen, und draengt Kunden zur Cloud-Loesung S/4HANA Cloud. Fuer IT-Abteilungen bedeutet das eine Verschiebung von Infrastruktur-Management hin zu Konfiguration und Integration.
Kuenstliche Intelligenz
KI-Funktionen halten Einzug in ERP-Systeme. Chatbots unterstuetzen Anwender bei der Bedienung, Machine Learning verbessert Absatzprognosen, und intelligente Automatisierung uebernimmt repetitive Buchungsvorgaenge. SAP integriert mit "Joule" einen KI-Assistenten, Microsoft baut Copilot in Dynamics 365 ein.
Mobile ERP
Moderne ERP-Systeme sind vollstaendig mobilfaehig. Aussendienstmitarbeiter erfassen Auftraege unterwegs, Lagerarbeiter buchen Warenbewegungen per Smartphone, und Manager genehmigen Bestellungen von ueberall. Die mobile Verfuegbarkeit wird zum Standard.
ERP in der IT-Praxis
Als IT-Fachkraft wirst du in vielen Unternehmen mit ERP-Systemen arbeiten. Die konkreten Aufgaben haengen von deiner Spezialisierung und der Unternehmensgroesse ab.
Anwendungsentwickler programmieren Erweiterungen, entwickeln Reports mit ABAP (SAP) oder anderen ERP-Programmiersprachen und erstellen Schnittstellen zu anderen Systemen. Systemintegratoren kuemmern sich um Installation, Basiskonfiguration, Benutzer- und Berechtigungsverwaltung sowie Performance-Optimierung. Kaufleute fuer IT-System-Management unterstuetzen bei der Auswahl geeigneter ERP-Loesungen und koordinieren ERP-Projekte.
ERP-Kenntnisse sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Besonders SAP-Expertise wird gut bezahlt - allerdings erfordert der Einstieg in die SAP-Welt eine laengere Einarbeitungszeit. Zertifizierungen der ERP-Anbieter koennen die Karrierechancen verbessern.
Quellen und weiterfuehrende Links
- SAP ERP-Loesungen - Offizielle SAP-Seite
- Oracle: What is ERP? - Oracle ERP-Uebersicht
- Microsoft Dynamics 365 - Microsoft ERP-Loesung
- Gabler Wirtschaftslexikon: ERP - Wissenschaftliche Definition
- IBM: Enterprise Resource Planning - Technische Uebersicht