Zuletzt aktualisiert am 04.12.2025 6 Minuten Lesezeit

Kanban

Kanban ist eine agile Projektmanagement-Methode, die auf der Visualisierung von Arbeitsablaeufen und der kontinuierlichen Optimierung des Arbeitsflusses basiert. Der Begriff stammt aus dem Japanischen und bedeutet woertlich uebersetzt "Signalkarte" oder "Tafel". Im Gegensatz zu anderen agilen Methoden wie Scrum arbeitet Kanban ohne feste Zeitboxen und ermoeglicht eine flexible, kontinuierliche Arbeitsweise.

Geschichte und Ursprung

Die Wurzeln von Kanban liegen in der japanischen Automobilindustrie der 1940er Jahre. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand Toyota vor der Herausforderung, mit der Produktivitaet amerikanischer Automobilhersteller mitzuhalten. Der Wirtschaftsingenieur Taiichi Ohno entwickelte 1947 das Kanban-System als Teil des beruehmt gewordenen Toyota-Produktionssystems (TPS).

Das urspruengliche System funktionierte mit physischen Karten, die an fertigen Produkten befestigt wurden. Sobald ein Produkt verkauft wurde, wanderte die Karte zurueck an die Produktionslinie und signalisierte, dass ein neues Produkt gefertigt werden sollte. Dieses elegante Prinzip realisierte das Just-in-Time-Konzept: Nur das produzieren, was benoetigt wird, wann es benoetigt wird und in der Menge, in der es benoetigt wird.

Die Ergebnisse bei Toyota waren beeindruckend: Die Vorratshaltung wurde deutlich reduziert und das Material im Prozess sank um bis zu 90 Prozent. In den 2000er Jahren wurde Kanban dann fuer die Softwareentwicklung adaptiert und hat sich seitdem als eigenstaendige agile Methode etabliert.

Die vier Kernprinzipien von Kanban

Kanban basiert auf vier fundamentalen Prinzipien, die den kontinuierlichen Arbeitsfluss ermoeglichen und die Effizienz von Teams steigern.

Visualisierung

Das Herzstück von Kanban ist die Visualisierung aller Aufgaben auf einem Kanban-Board. Jede Aufgabe wird als Karte dargestellt, die durch verschiedene Spalten wandert. Diese Transparenz ermoeglicht es dem gesamten Team, den aktuellen Stand aller Arbeiten auf einen Blick zu erfassen und Engpaesse fruehzeitig zu erkennen.

Work in Progress Limits

WIP-Limits (Work in Progress) begrenzen die Anzahl der Aufgaben, die sich gleichzeitig in einer Spalte befinden duerfen. Wenn beispielsweise das WIP-Limit fuer "In Bearbeitung" auf 3 gesetzt ist, darf das Team nicht mehr als drei Aufgaben parallel bearbeiten. Dies verhindert Ueberlastung, foerdert die Fokussierung und sorgt dafuer, dass Aufgaben fertiggestellt werden, bevor neue begonnen werden.

Pull-Prinzip

Im Gegensatz zum klassischen "Push"-Ansatz, bei dem Aufgaben zugewiesen werden, arbeitet Kanban nach dem Pull-Prinzip. Das bedeutet: Teammitglieder ziehen sich selbststaendig neue Aufgaben, sobald sie Kapazitaet frei haben. Neue Arbeit wird also nur dann begonnen, wenn tatsaechlich Kapazitaet vorhanden ist. Dies fuehrt zu einem natuerlicheren Arbeitsfluss und reduziert Wartezeiten.

Kontinuierlicher Flow

Kanban foerdert einen kontinuierlichen Arbeitsfluss ohne feste Iterationen oder Sprints. Aufgaben werden fortlaufend bearbeitet und geliefert, anstatt in zeitlich begrenzten Zyklen. Das Ziel ist es, den Fluss stetig zu optimieren und die Durchlaufzeit (Lead Time) von Aufgaben zu minimieren.

Das Kanban-Board

Das Kanban-Board ist das zentrale Werkzeug der Methode. Es visualisiert den Arbeitsprozess durch Spalten, die verschiedene Arbeitsstaende repraesentieren. Die klassische Grundstruktur besteht aus drei Spalten:

  • To Do (Backlog): Aufgaben, die noch nicht begonnen wurden und auf ihre Bearbeitung warten
  • In Progress (In Bearbeitung): Aufgaben, die aktuell vom Team bearbeitet werden - hier greifen die WIP-Limits
  • Done (Erledigt): Abgeschlossene Aufgaben

In der Praxis erweitern Teams diese Grundstruktur oft um zusaetzliche Spalten wie "Review", "Testing" oder "Ready for Deployment", um ihren spezifischen Arbeitsprozess abzubilden. Im Gegensatz zu Scrum bleibt das Kanban-Board dauerhaft bestehen und wird nicht nach jeder Iteration zurueckgesetzt.

Kanban vs. Scrum

Beide Methoden gehoeren zur Familie der agilen Methoden, unterscheiden sich aber in wesentlichen Punkten. Der folgende Vergleich hilft dir, die richtige Methode fuer dein Projekt zu waehlen:

Aspekt Kanban Scrum
Zeitrahmen Kontinuierlicher Fluss ohne feste Zyklen Feste Sprints (1-4 Wochen)
Rollen Keine definierten Rollen Product Owner, Scrum Master, Team
Aenderungen Jederzeit moeglich Waehrend eines Sprints nicht vorgesehen
Meetings Optional, nach Bedarf Feste Events (Planning, Daily, Review, Retro)
Board Bleibt dauerhaft bestehen Wird nach jedem Sprint zurueckgesetzt
Lieferung Kontinuierlich Am Sprint-Ende
Metriken Lead Time, Cycle Time Velocity, Burndown

Kanban eignet sich besonders gut fuer Teams mit wechselnden Anforderungen, Support-Aufgaben oder kontinuierlichen Wartungsarbeiten. Scrum ist oft die bessere Wahl fuer Projekte mit klar definierten Zielen, die in regelmaessigen Abstaenden liefern muessen. Beide Methoden koennen auch kombiniert werden - dieser Ansatz wird als Scrumban bezeichnet.

Vorteile von Kanban

Kanban bietet gegenueber anderen Projektmanagement-Methoden mehrere Vorteile, die es besonders fuer flexible Arbeitsumgebungen attraktiv machen:

  • Hohe Flexibilitaet: Aenderungen und neue Aufgaben koennen jederzeit eingefuegt werden
  • Einfache Einfuehrung: Kanban kann schrittweise implementiert werden, ohne bestehende Prozesse komplett umzustellen
  • Verbesserte Transparenz: Das Board macht den Arbeitsstatus fuer alle sichtbar
  • Reduzierte Ueberlastung: WIP-Limits verhindern, dass Teams zu viele Aufgaben parallel bearbeiten
  • Kuerzere Durchlaufzeiten: Der Fokus auf Flow fuehrt zu schnelleren Lieferungen
  • Kontinuierliche Verbesserung: Die Visualisierung macht Engpaesse sichtbar und ermoeglicht gezielte Optimierung

Herausforderungen und Grenzen

Trotz seiner Vorteile bringt Kanban auch Herausforderungen mit sich, die du bei der Einfuehrung beruecksichtigen solltest:

  • Weniger Struktur: Ohne feste Sprints kann der Fokus auf langfristige Ziele verloren gehen
  • Keine festen Liefertermine: Die kontinuierliche Arbeitsweise erschwert verbindliche Terminzusagen
  • WIP-Limits erfordern Disziplin: Teams muessen lernen, die Limits konsequent einzuhalten
  • Ungeeignet fuer komplexe Projekte: Bei grossen Projekten mit vielen Abhaengigkeiten kann mehr Struktur noetig sein
  • Gefahr der Stagnation: Ohne regelmaessige Retrospektiven kann die kontinuierliche Verbesserung vernachlaessigt werden

Kanban-Tools in der Praxis

Fuer die digitale Umsetzung von Kanban stehen zahlreiche Tools zur Verfuegung. In der Softwareentwicklung sind folgende besonders verbreitet:

  • Jira: Umfassendes Projektmanagement-Tool von Atlassian, besonders beliebt in der Softwareentwicklung
  • Trello: Einfaches, visuelles Board-Tool fuer kleinere Teams und Projekte
  • Azure DevOps: Microsoft-Loesung mit integrierten Kanban-Boards
  • GitHub Projects: Kanban-Boards direkt in GitHub integriert

Fuer den Einstieg kann auch ein einfaches physisches Board mit Haftnotizen an einer Wand oder einem Whiteboard ausreichen. Wichtiger als das Tool ist die konsequente Anwendung der Kanban-Prinzipien.

Kanban in der IT-Praxis

In IT-Unternehmen wird Kanban haeufig fuer Support- und Wartungsaufgaben eingesetzt, bei denen Anfragen kontinuierlich eingehen und nicht in feste Sprints geplant werden koennen. Auch DevOps-Teams nutzen Kanban oft, um den kontinuierlichen Fluss von Deployments zu visualisieren und zu steuern.

Als Fachinformatiker fuer Anwendungsentwicklung oder Fachinformatiker fuer Systemintegration wirst du in deinem Ausbildungsbetrieb mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Kanban-Boards treffen. Das Verstaendnis der Methode hilft dir, dich schnell in bestehende Arbeitsprozesse einzufinden und aktiv zur Optimierung beizutragen.

Quellen und weiterfuehrende Links